Psychologie hinter Big Points

Autor: Darko Jekauc, Julian Fritsch, Laura Siegemund und Philipp Heger

Emotionale Reaktionen lassen sich zwar nicht bewusst steuern, jedoch wie ein Muskel trainieren. Das ist wichtig, um gerade in strategisch wichtigen Phasen, also bei Spiel-, Satz- oder Matchbällen, die Nerven zu behalten. Ein Blick auf die psychologischen Prozesse hinter Big Points von Darko Jekauc und Laura Siegemund.

 

Die dominierende Lehrmeinung des Deutschen Tennisbundes geht davon aus, dass es keine Big Points im Tennis gibt. In der letzten Ausgabe von TennisSport haben wir uns mit dieser Lehrmeinung kritisch auseinandergesetzt und die Bedeutung von Big Points taktisch begründet. In dieser Ausgabe werden wir die den Big Points zugrundeliegende psychologische Prozesse beleuchten und Tipps geben, wie der Umgang mit Big Points effektiv trainiert werden kann. Wir werden zeigen, dass die Ansichten des DTB im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen und geben Empfehlungen, wie man aus psychologischer Sicht erfolgreich mit Big Points umgehen kann. Zunächst wird aber die Bedeutung von Big Points anhand einer persönlichen Erfahrung von Laura Siegemund verdeutlicht.

Beispiel: Wie können wenige Punkte Karrieren beeinflussen

 

Laura Siegemund kann aus eigener Erfahrung berichten, welchen Einfluss einzelne Punkte nicht nur auf das Match, sondern auch auf den Verlauf einer ganzen Saison oder sogar die ganze Karriere haben können. Trotz eigentlich guter Leistungen hatte sie ergebnistechnisch keinen guten Start ins Jahr 2017. Das dadurch bedingte mangelnde Selbstvertrauen führte dazu, dass Laura bis April kaum Spiele gewonnen hatte und sehr unzufrieden mit sich selbst war. Dann nahm Sie an einem Turnier in Charleston, USA, teil und konnte sowohl in der ersten als auch in der zweiten Runde Big Points für sich entscheiden, welche Lauras Saison drastisch verändern sollten. So berichtet sie vom Spiel gegen Lesia Tsurenko in der ersten Runde:
 „In einem äußerst engen Match stand es gegen Ende nach fast drei Stunden Spielzeit und extrem widrigen Wetterbedingungen mit Wind und Nieselregen sowie drohender einbrechender Dunkelheit drei zu drei im Tiebreak des dritten Satzes. Als ich mich in dieser Phase trotz Erschöpfung, negativer Gedanken und Selbstzweifel, die sich durch die vorherigen Matches stetig weiter in meinem Kopf eingenistet hatten, aufbäumte und wagte, mutig zu spielen, konnte ich einige druckvolle Punkte bestreiten und das Match am Ende hauchdünn mit sieben zu vier im Tiebreak gewinnen. Erleichterung pur war die Folge - endlich hatte ich meine Leistung mal wieder in einen Sieg ummünzen können! Der Gewinn des Matches fühlte sich an wie ein ganzer Turniersieg - die Erschöpfung danach ebenso.“

Laura Siegemund
Laura Siegemund

Der Gewinn dieses Spiels führt dazu, dass Laura in der zweiten Runde gegen Venus Williams spielen durfte:
„Im dritten Satz sah ich mich nach zwei Stunden 45 Minuten beim Stand von vier zu fünf aus meiner Sicht und Aufschlag Williams bei 40:15 zwei Matchbällen gegenüber. In dem Moment nahm ich mir vor, ihr den Sieg so schwer wie möglich zu machen und um jeden Ball zu kämpfen wie ein Löwe. Und das tat ich. Beim zweiten Matchball hatte sie einige hundertprozentige Möglichkeiten den Punkt zu gewinnen, stand nach druckvollem Angriff am Netz - erst mit einem Topspinvolley, dann mit einem normalen Volley, das ganze Feld offen - aber ich schaffte es den Ball immer nochmals und nochmals zurückzubringen, bis sie am Ende den Fehler machte. Nachdem ich die zwei Matchbälle abwehren und das Spiel zum fünf zu fünf noch für mich entscheiden konnte, war sie stark verunsichert. Fast ein wenig verzweifelt durch die Art, WIE ich die Matchbälle abgewehrt hatte. Nach fast drei Stunden Spielzeit konnte ich durch meine Zähigkeit das Match noch herumdrehen und gewinnen. Williams sagte in der anschließenden Pressekonferenz, sie könne sich nichts vorwerfen. Ich hätte auf ihre guten Bälle eine immer noch bessere Antwort gehabt. Dieser Sieg war natürlich ein Riesenerfolg und beflügelte mich. Eine Woche später gewann ich als Wildcard und Lokalmatadorin den Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart, nachdem ich drei Top Ten-Spielerinnen geschlagen hatte.“


Laura betont nochmals die Bedeutung der Big Points:
„Ohne den Gewinn dieser speziellen Punkte in den schwierigen Momenten in Charleston sowohl gegen Tsurenko als auch gegen Venus wäre diese Leistung nicht zustande gekommen. Als Spieler(in) kennt man sein Können, man kann die eigene Leistung einschätzen, auch wenn sie am Ende nicht immer mit einem Sieg zu Papier schlägt. Aber der Gewinn dieser Big Points setzt sich tief im Bewusstsein fest und bringt ein Urvertrauen in ähnlichen, schwierigen Situationen in folgenden Matches hervor. Ein bestimmtes Mindset, in dem man die eigenen Fähigkeiten in besonders anspruchsvollen Momenten in einem Spiel nicht anzweifelt, sondern tiefes Vertrauen in die eigenen Schläge, die Spielstrategie und seine Intuition hat. Dieses Selbstbewusstsein und diese Selbstverständlichkeit, mit der man dadurch aufspielen kann, bringen wahre Höchstleistungen hervor.“

Wichtigkeit der Punkte und psychische Folgen

 

Wie wir in der vorherigen Ausgabe der Zeitschrift TennisSport gesehen haben, zeichnen sich Big Points im Tennis dadurch aus, dass sie aus taktischer Sicht eine große Bedeutung haben. In engen Matches haben sie einen vergleichsweise großen Einfluss auf den Ausgang des gesamten Matches. Wer die strategisch wichtigen Punkte (z.B. Match-, Satz- oder Breakbälle) verliert, kann nur mit einem vergleichsweise hohen Aufwand diese Verluste ausgleichen. Die Bedeutsamkeit der einzelnen Punkte nimmt immer mehr zu, je enger das Spiel ist und je näher das Ende des Satzes (z.B. Tiebreak) rückt. Die Folgen der möglichen Punktverluste bzw. -gewinne werden immer größer. Aus psychologischer Perspektive ist dabei entscheidend, dass auf Grund von vorherigen Lernerfahrungen  Big Points auch dann unser Verhalten beeinflussen, wenn wir nicht an Big Points glauben. Manche Spieler spielen in entscheidenden Phasen des Matches verhalten und ängstlich, andere Spieler eher ungestüm und überhastet, während andere wiederum gerade dann ihr bestes Tennis spielen. Wie weitreichend die Folgen des Ausgangs von Big Points sein können, hat Laura im vorherigen Abschnitt eindrucksvoll beschrieben.

Psychische Prozesse

 

Basierend auf vorherigen Erfahrungen im Tennis lernt unser psychisches System, dass bei eigenem Aufschlag ein Punktverlust beim Stand von 30:40 größere Konsequenzen haben würde als ein Punktverlust beim Stand von 0:0. Wie die Situation verarbeitet wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf die folgenden emotionalen Reaktionen. Im Gehirn sind dabei zwei Wege zu beachten: Der schnelle und der langsame Weg.

Vorgänge im Gehirn
Vorgänge im Gehirn

Auf dem schnellen Weg werden die ankommenden Informationen im Thalamus[1] auf Wichtigkeit vorgefiltert. Wird eine Situation als irrelevant eingestuft, wird sie nicht weiter verarbeitet. Kommt es auf Grund der Vorerfahrung mit einer solchen Situation zu der Bewertung, dass es sich um etwas Wichtiges oder gar Bedrohliches handelt, wird der Reiz auf dem schnellsten Weg zur Amygdala[2] weitergeleitet. Dort wird eine schnelle, aber grobe Analyse der Situation vorgenommen und entsprechend eine physiologische Reaktion ausgelöst: z. B. die Herzfrequenz, der Blutdruck und der Muskeltonus steigen. Der Körper wird in kürzester Zeit (in einigen Millisekunden) auf eine Aktion vorbereitet, bevor uns überhaupt bewusst ist, was vor sich geht. Es handelt sich dabei um eine automatische Reaktion unseres Körpers, die sich im Laufe der Evolution als adaptiv herausgestellt hat.

 

Gleichzeitig wird die Information vom Thalamus auf dem langsamen Weg in die Großhirnrinde[3] weitergeleitet. Dort findet eine umfassende Analyse der Situation statt, bei der die Bedeutung detaillierter analysiert wird, vergleichbare Erfahrungen aus dem Gedächtnis abgerufen werden und ein Abgleich mit der vorhandenen Situation vorgenommen wird. Unsere Aufmerksamkeit wird auf die relevanten Aspekte der Situation gelenkt und verschiedene Handlungsmöglichkeiten werden analysiert. Dabei wird uns bewusst, was vor sich geht. Dieser umfassende Analyseprozess nimmt erheblich mehr Zeit in Anspruch und kann mehrere Sekunden dauern. Am Ende dieses langen, kortikalen Verarbeitungsprozesses führen die Nervenbahnen wieder zur Amygdala. Von dort können weitere emotionalen Kaskaden und Bedrohungsszenarien ausgelöst oder ihre Aktivität herunterreguliert werden. Die Reaktionen des zweiten langsamen Wegs auf den ersten schnellen Weg hängen stark von der Emotionsregulationsfähigkeit des Spielers ab.


[1] Der Thalamus ist ein Teil des Zwischenhirns und bekommt verschiedene sensorische Informationen über die Reize aus der Umwelt und leitet diese an andere Gehirnregionen zur weiteren Verarbeitung weiter. Er wird oft als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet.

[2] Die Amygdala (deutsch = Mandelkern) ist Teil des limbischen Systems und beeinflusst durch seine starken Verbindungen zum Hypothalamus die Reaktionen des autonomen Nervensystems (z. B. Erhöhung des Herzschlags) und die Ausschüttung von Stresshormonen.

[3] Ein Bestandteil der Großhirnrinde (auch Kortex genannt) ist der Präfrontalkortex, der für viele höhere kognitive Funktionen verantwortlich gemacht wird (z.B. Abwägung von Handlungsalternativen; Emotionsregulation). Er gilt als der Bestandteil des Gehirns, der sich evolutionär am spätesten entwickelt hat.


Bedeutung für Tennis

 

Die beschriebenen Prozesse des schnellen und langsamen Weges haben für einen Tennisspieler zur Folge, dass er in kritischen Spielsituationen mit einer körperlichen Erregung konfrontiert wird, die er nicht willentlich kontrollieren kann. Das wird oft als ein unangenehmes Gefühl der fehlenden Kontrolle über den eigenen Körper wahrgenommen. Die Reaktionen auf diese körperliche Erregung können höchst unterschiedlich sein. Manche Spieler steigern sich in die eigenen Emotionen hinein, andere blockieren und ziehen sich zurück. Die emotionalen Reaktionen haben in den meisten Fällen einen beeinträchtigenden Effekt auf die Leistung und führen nicht selten zu Konzentrationsverlust, Grübeln, Ängstlichkeit oder auch Aggression. Jedoch gibt es auch solche Spieler, die die erhöhte Spannung sogar als angenehm empfinden und gerade dann ihre beste Leistung abrufen. Wie die Auswirkungen ausfallen, hängt von den Emotionsregulationsfähigkeiten des einzelnen Spielers ab.

Emotionsregulation

 

Eine gut entwickelte Emotionsregulationsfähigkeit (auch Resilienz genannt) spiegelt verschiedene Fähigkeiten wider. Zum einen ist es wichtig, Fehler schnell abzuhaken und sich wieder auf den nächsten Punkt zu konzentrieren. Auch die Fähigkeit, mit der erhöhten physiologischen Erregung vor Big Points umzugehen, ist Teil der Emotionsregulation. Spieler, die ihre Emotionen nicht gut regulieren können, hadern nach Fehlern häufig mit sich selbst und haben Schwierigkeiten, sich auf den nächsten Punkt zu konzentrieren. Das führt häufig zu einer Serie von Punktverlusten. Gerade in den entscheidenden Phasen eines Matches ist die Emotionsregulationsfähigkeit entscheidend. Ein Spieler, der bei Big Points gelassen und konzentriert bleibt, hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu einem Spieler mit einer weniger gut entwickelten Emotionsregulationsfähigkeit. Daher kann die Fähigkeit zur Emotionsregulation als ein leistungsbestimmender Faktor betrachtet werden.

 

In neurowissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Verbindung zwischen den Steuerungszentralen im Präfrontalkortex und der Amygdala zentral für die Bewältigung von negativen Emotionen ist. Je mehr Nervenzellen die beiden Regionen verbinden, desto leichter ist es, die Aktivität der Amygdala zu regulieren. Bei einer stark ausgeprägten Verbindung zwischen diesen Gehirnteilen fällt es uns leichter, in spielentscheidenden Situationen - wie bei Big Points - gelassen zu bleiben. Die gute Nachricht ist, dass die Emotionsregulationsfähigkeit durch Training verbessert werden kann. Es konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass bestimmte Trainingsformen der Emotionsregulation zu einer Zunahme an kortikaler Dicke in denjenigen Hirnregionen führen, die für die Emotionsregulation zuständig sind.

Ansatzpunkte für das Training

 

Das Training der Emotionsregulation zielt auf die Fähigkeit ab, sich mit eigenen Emotionen produktiv auseinanderzusetzen. Unabdingbare Voraussetzungen dafür sind eine offene Haltung und die Akzeptanz der eigenen Emotionen. Nur wenn wir die eigenen Emotionen akzeptieren, können wir sie produktiv nutzen. Auf dem Tennisplatz werden häufig die nachfolgenden Strategien eingesetzt:

Strategie 1: Gelassenheit durch Achtsamkeitstraining

Emotionale Prozesse laufen in den meisten Fällen unbewusst ab und folgen gewissen Automatismen. Hat sich eine emotionale Regung in vollem Umfang entfaltet, ist es kaum möglich, sie zu kontrollieren. Achtsamkeitstraining versucht diese Automatismen zu durchbrechen. Dabei konzentriert man sich auf das, was gerade passiert, ohne es zu bewerten. Durch diese Konzentration auf das Hier und Jetzt ist man wachsamer für aufkommende Emotionen und störende Gedanken (z. B. Grübeln). Auf diese Weise kann man die störenden Tendenzen früh erkennen und ihnen entgegensteuern. Hat man sich einmal die Einstellung angewöhnt, Situationen nur wahrzunehmen ohne sie zu bewerten, kann man auch auf Widrigkeiten des Spiels gelassener reagieren. Achtsamkeitstraining hat sich in Studien als ein sehr wirksames Mittel zum Erwerb der Emotionsregulationsfähigkeit erwiesen.

Strategie 2: Kognitive Umstrukturierung

Kognitive Umstrukturierung ist eine verhaltenstherapeutische Maßnahme, bei der man versucht, eigene Gedanken und Überzeugungen neu zu strukturieren. Es wird dabei angenommen, dass die Interpretation eigener Erregungszustände (z. B. Herzrasen) entscheidend für die Leistung ist. Wenn man seine körperliche Erregung als Zeichen von Angst und Schwäche interpretiert, wird man häufig einen Leistungseinbruch erleiden. Haben sich solche dysfunktionalen Überzeugungen einmal festgesetzt, entwickeln sie ein Eigenleben. Das Ziel dieser Maßnahme ist, den Spieler dazu anzuregen, dysfunktionale Interpretationen (z. B. Ich bin aufgeregt, weil ich Angst habe!) zu erkennen und durch funktionale Interpretationen (z. B. Ich bin aufgeregt, weil ich vor einer Herausforderung stehe, die ich meistern kann!) zu ersetzen.

Rafael Nadals Routine
Rafael Nadals Routine

Strategie 3: Routinen aufbauen

Eine sehr verbreitete Maßnahme zur Regulation von negativen Emotionen stellen Routinen dar. Es handelt sich dabei um Handlungssequenzen zwischen den Ballwechseln, die immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Fast jeder Spieler hat eine Reihe von Routinen über die Zeit entwickelt. Sehr auffällige Routinen hat Rafael Nadal vor dem Aufschlag, wenn er in der Reihenfolge die (i) Linie mit dem Fuß putzt, (ii) die Schuhe abklopft, (iii) die Shorts leicht herunterdrückt, (iv) das T-Shirt an den Schultern hochzieht, (v) Nase und Ohren vom Schweiß abwischt, (vi) seine Haare hinter die Ohren macht (vii) den Ball mehrmals gegen den Boden tippt und erst dann aufschlägt. Solche Routinen geben Sicherheit, da sie eine Konstante in einem unvorhersehbaren Match repräsentieren.

 

 

Strategie 4: Angst durch Aggressivität ersetzen

Eine weitere Strategie zum Umgang mit Emotionen ist die Umwandlung einer leistungshemmenden Emotion in eine weniger leistungshemmende Emotion. Häufig wird dabei Angst, die als aversiv und hemmend wahrgenommen wird, in Aggressivität, die weniger aversiv sowie aktionsverstärkend wirkt, umgewandelt. Der Spieler versucht dabei künstlich einen Streit mit dem Gegner, Publikum oder Schiedsrichter zu initiieren, um eigene Ängste zu überwinden. Einige Spieler haben diese Strategie so verinnerlicht, dass sie beim ersten engen Spielstand Gegner provozieren und Streit suchen. Haben sie das erreicht, können sie zusätzliche Energie rekrutieren, um es dem Gegner „jetzt erst recht“ zu zeigen. Diese Strategie ist jedoch kaum empfehlenswert, da sich die Aggression gegen sich selbst richten und dann einen noch größeren Schaden anrichten kann. Darüber hinaus verbrauchen Wut und Aggression sehr viel Energie, die einem in langen Matches am Ende fehlen könnte.

Strategie 5: Entspannung

Die Entspannung ist eine Strategie, bei der man die körperlichen Symptome zu beeinflussen versucht. Diese Strategie ist deshalb hilfreich, weil negative Symptome (Erregung) schwächer werden. Als praxistauglich in einem Match hat sich Entspannung jedoch nicht erwiesen, da der Spannungsverlust häufig mit Leistungseinbußen einhergeht. Auch das Aufkommen negativer Gedanken wird dadurch nicht reduziert. Daher ist diese Strategie lediglich vor dem Match zu empfehlen.

Strategie 6: Leugnung

Die Lehrmeinung des Deutschen Tennisbundes (2001) geht davon aus, dass es sich bei Big Points um einen leistungsmindernden Aberglauben handelt. Es wird empfohlen nicht an Big Points zu glauben.

Wer an günstige oder ungünstige Spielstände glaubt, setzt sich selbst unter Druck. Er betrachtet den ungünstigen Spielstand als »Bedrohung« und reagiert vorsichtig, ängstlich, unkonzentriert, passiv, nervös oder verunsichert.“ (DTB, 2001, S.58)

Wie oben gezeigt wurde, steht diese Empfehlung des DTB im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Psychologie und der Neurowissenschaften. Die emotionale Reaktion wird durch bestimmte Automatismen ausgelöst, unabhängig davon ob der Spieler daran glaubt oder nicht. Mit dieser Empfehlung wird der Spieler mit seinen Emotionen alleingelassen und für die eigenen Gefühle verantwortlich gemacht. Die Folgen einer solchen Strategie sind ein Unverständnis für die eigenen emotionalen Zustände, was die Unsicherheit noch weiter verstärkt. Unserer Meinung nach ist die Akzeptanz der eigenen Emotionen notwendig, um sie erfolgreich zu bewältigen. Leugnung oder Vermeidung sind auf Dauer keine Lösungen.

Fazit

Im Rahmen dieses Artikels wurden die psychologischen Prozesse bei Big Points beleuchtet. Dabei handelt es sich immer um besonders relevante Phasen des Matches, die von emotionalen Prozessen begleitet werden. Die Situation vor einem Big Point wird auf einem schnellen und einem langsamen Weg verarbeitet. In entscheidenden Phasen des Matches sind Nervosität und Erregung natürliche Reaktionen des Körpers. Die Fähigkeit zur Regulation der eigenen Emotionen entscheidet dabei, ob der Spieler sein ganzes Leistungsvermögen abrufen wird. Obwohl die emotionalen Reaktionen nicht willentlich steuerbar sind, lassen sie sich wie ein Muskel trainieren.

Übungen zum Umgang mit Big Points

 

Übungen zum Umgang mit Big Points zielen darauf ab, den Spieler immer wieder in Spielsituationen zu versetzen, in denen spielentscheidende Punkte unter wettkampfähnlichen Bedingungen auftreten. Das Auftreten von spielentscheidenden Situationen kann man erreichen, indem man die Zählweise so verändert, dass immer wieder wenige Punkte eine große Wirkung auf den Ausgang des Spiels haben. Wettkampfähnliche Bedingungen erzeugt man, indem man Konsequenzen beim Verlust einführt. Die Kombination dieser beiden Aspekte ist das Wesentliche für das Training von Big Points.

 

Am Ende eines Spiels sollte man die entscheidenden Spielsituationen mit dem Spieler besprechen. Dabei kommt es darauf an, wie der Spieler die Situationen erlebt hat und wie er sich mit eigenen Emotionen auseinandergesetzt hat. Entsprechend kann man verschiedene Maßnahmen zum Umgang mit Emotionen diskutieren.

Spiele mit veränderter Zählweise

1.     No-Add

Es wird ein Satz bis sechs nach der Regel No-Add ausgespielt. Bei dieser Regel wird beim Einstand der entscheidende Punkt ausgespielt, wobei der Rückschläger die Seite wählt, in die aufgeschlagen wird.

2.     Joker und Schwarzer Peter

Es wird ein normaler Satz bis sechs ausgespielt, wobei einer der beiden Spieler zweimal die Möglichkeit hat, einen Joker einzusetzen. Beim Einsatz vom Joker gewinnt der Spieler den Punkt automatisch, ohne ihn auszuspielen. Für jeden eingesetzten Joker muss auch der Schwarze Peter eingesetzt werden. Dabei verliert man den Punkt automatisch, ohne ihn auszuspielen. Der Clou ist, dass der Spieler mit den Jokern und Schwarzen Petern, den Schwarzen Peter zum Beispiel beim Spielstand von eins zu eins und 30:00 einsetzen kann und den nächsten zum Beispiel gleich beim nächsten Punkt. Seine Joker kann er, wenn es denn zu diesem Spielstand kommt, bei Breakchance beim Spielstand von vier zu vier einsetzen, was ihm dann den direkten Spielgewinn einbringt. Er kann den Joker aber auch bei Satzball gegen sich einsetzen.

Spiele mit Konsequenzen

1.     Ausscheidungsspiele

Der Trainer kündigt an, dass er das Ergebnis des Matches notieren und es für zukünftige Entscheidungen bezüglich der Vergaben von Privilegien (z. B. Einsätze in der ersten Mannschaft) benutzen wird. Auf diese Weise wird der turnierähnliche Druck auf beide Spieler ausgeübt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Spieler sowie die Auswahl der richtigen Privilegien ist dabei entscheidend. Am Ende des Spiels sollten die Spieler informiert werden, dass es sich nur um vorgetäuschte Konsequenzen handelt. Ansonsten könnte das Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Spieler in Mitleidenschaft gezogen werden.

2.     Spiele um Liegestütze

Es wird ein Satz (oder ein anderes Spiel mit veränderter Zählweise) ausgespielt, wobei der Verlierer eine bestimmte Anzahl von Liegestützen machen muss. Die Anzahl der Liegestütze sollte in Abhängigkeit vom Fitnesslevel so ausgewählt werden, dass die beiden Spieler diese Anzahl gerade noch so schaffen.